
Turning up the heat
Wärme im Büro: Macht sie dich wirklich dümmer – oder denkst du das nur?
Oft wird behauptet, dass die Temperatur am Arbeitsplatz die Produktivität beeinflusst. Manche schwören auf 21 Grad, andere arbeiten lieber in wärmeren Räumen. Aber macht Hitze uns tatsächlich weniger konzentriert? Und können wir unserem eigenen Gefühl dabei trauen?
Forscherinnen der Universität Maastricht gingen dieser Frage nach. In einem kontrollierten Experiment setzten sie 257 Teilnehmerinnen entweder einer warmen Umgebung (28 °C) oder einer neutralen Umgebung (22 °C) aus. Danach führten die Proband*innen eine Reihe von Denk- und Entscheidungstests durch. Ziel war es, herauszufinden, ob Hitze das Denkvermögen beeinflusst – und ob Menschen sich dessen überhaupt bewusst sind.
Was wurde getestet?
Die Teilnehmer*innen bearbeiteten u. a.:
- den Cognitive Reflection Test (wie schnell entscheidet man sich für eine intuitive, aber falsche Antwort?)
- eine Reihe von Tests zu kognitiven Verzerrungen (Biases)
- Risikotests: Wie risikofreudig verhält man sich?
- Selbsteinschätzungen: Wie wohl fühlst du dich? Und wie schätzt du deine Leistung ein?
Die wichtigsten Ergebnisse
Wärme beeinträchtigt die kognitive Leistung nicht direkt
Es gab keine signifikanten Unterschiede in den Denkaufgaben zwischen den beiden Gruppen – weder bei Denkfehlern noch bei rationalen versus intuitiven Entscheidungen.
Wärme beeinflusst das subjektive Empfinden – vor allem bei Männern
Männer empfanden den warmen Raum als unangenehmer und glaubten, schlechter abzuschneiden. Frauen zeigten dieses Empfinden kaum.
Frauen zeigen bei Wärme mehr Risikobereitschaft
In der warmen Umgebung wählten Frauen häufiger risikoreiche Optionen in einem Lotteriespiel. Bei Männern wurde kein Unterschied festgestellt.
Selbsteinschätzung stimmt nicht mit tatsächlicher Leistung überein
Vor allem Männer dachten, dass sie in Wärme schlechter abschnitten – obwohl die Testergebnisse dies nicht bestätigten.
→ Selbstwahrnehmung ist also keine verlässliche Grundlage zur Bewertung von Leistung bei unterschiedlichen Temperaturen.
Was bedeutet das?
Die Studie zeigt: Menschen – besonders Männer – überschätzen den Einfluss von Raumtemperatur auf ihre Leistung.
Das ist relevant, weil in Politik und Forschung häufig auf Selbstauskünfte (self-reports) zurückgegriffen wird, um Produktivität zu messen. Solche subjektiven Einschätzungen können zu unnötigen und kostspieligen baulichen Veränderungen führen – ohne echten Nutzen.
Außerdem beeinflusst Temperatur zwar nicht das rationale Denken direkt, sie kann aber subtile Verhaltensänderungen hervorrufen – etwa eine höhere Risikobereitschaft, wie bei Frauen in dieser Studie beobachtet.
Zusammenfassung
- Temperatur beeinflusst nicht direkt das Denkvermögen, wohl aber das Wohlbefinden und die Selbsteinschätzung.
- Männer glauben, bei Hitze schlechter zu arbeiten – obwohl ihre Leistung stabil bleibt.
- Frauen zeigen bei Wärme mehr Risikobereitschaft.
- Selbsteinschätzungen sind keine verlässliche Grundlage, um Leistung unter verschiedenen Temperaturbedingungen zu bewerten.
Quelle:
Stroom, M., Kok, N., Strobel, M., & Eichholtz, P. (2021).
Turning up the heat: The impact of indoor temperature on selected cognitive processes and the validity of self-report.
Judgment and Decision Making, 16(3), 766–795.