Interesse an nachhaltigen Immobilien
Anstelle von Leim und Farbe liegt der Geruch von Holz in der Luft. Ein modernes Ambiente in Kombination mit Pflanzenwänden, die die Luft reinigen, dominiert das Innere. Eine natürliche Ventilation sorgt für ein optimales Raumklima. All das sind Dinge, die neben den Photovoltaikanlagen bei den gesunden Gebäuden in Venlo auffallen. Das neue Rathaus „Stadskantoor Venlo“ und die Grundschule „Basisschool de Zuidstroom” erregen weltweit Aufmerksamkeit, allerdings auch die Frage: „Ein schönes und nachhaltiges Gebäude, aber was sind die Extrakosten?” Auch wenn die zirkulären und gesunden Maßnahmen sehr wohl geschätzt werden, werden sie direkt in den Zusammenhang mit zusätzlichen Kosten gestellt. Aus der herkömmlichen nachhaltigen Perspektive betrachtet ist das logisch, aber nicht notwendig. Denn gesunde Gebäude erfordern eine andere Sicht auf die Geldströme.
Erfahrungswerte
In Venlo hat man inzwischen viel Erfahrung mit gesunden Gebäuden, die das Budget nicht sprengen, sammeln können. Ãœber das Projekt Healthy Building Network teilen wir gerne dieses Wissen mit Ihnen. Hierfür wurde bspw. ein kostenlos zugängliches Business Case Tool entwickelt, mit dem jeder, der an einem gesunden Gebäude interessiert ist, selbstständig arbeiten kann. Womit fängt man also an, wenn man ein gesundes, nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft zu errichtendes Gebäude bauen oder renovieren möchte, und was verändert sich beim Blick auf die Cashflows?
Die richtigen Fragen stellen
Jedes Projekt beginnt mit dem Stellen der richtigen Fragen und mit dem Treffen richtiger Entscheidungen, noch bevor ein Entwurf erstellt oder ein Stein gemauert wurde. Was sind die wichtigen Aspekte für dieses spezifische Gebäude? Ist es die Luftqualität, ausreichend sauberes Wasser oder sind es gesunde Materialien? Zählt womöglich auch der Erhalt eines einzigartigen historischen Charakters dazu? Ein Architekt kann sich schon mit diesen Themen befassen, noch bevor er mit dem Entwurf des Gebäudes beginnt. Zum Beispiel kann er dann die Lage mitberücksichtigen. Wie fange ich die Sonne optimal ein? Oder sorge ich gerade für optimalen Schatten? Wie verhält sich das Gebäude in seiner Umgebung? Die möglichen gesunden Maßnahmen können nach Themen bestimmt werden, sodass die Folgeschritte mit den Lieferanten abgesprochen werden können. Was ist der Materialpass Ihres Produktes? Enthält es toxische Stoffe? Gibt es einen Restwert nach Ablauf der Lebensdauer? Müssen wir Eigentümer eines Produktes werden oder können wir es für seine Lebensdauer mieten/leasen? Ist die Wartung inklusive? Das alles sind Fragen die im Bauwesen noch längst nicht alltäglich sind, aber die in einigen Jahren nicht mehr wegzudenken sein werden, wenn ein Bau- oder Renovierungsprojekt ansteht.
Budgeterstellung für Bau und Wartung
Wie sieht es mit den Kosten eines gesunden Gebäudes aus? Häufig ist es so, dass es gesonderte Budgets für Bau- und Wartungskosten gibt. Das ist schon der erste Unterschied von gesunden, zirkulären Bauprojekten gegenüber konventionellen. In der Industrie gilt das bekannte Konzept des „Total Cost of Ownership“. Das ist auch bei gesunden Gebäuden ein nützlicher Terminus Technicus. Qualität kostet in der Regel mehr Investitionen im Vorfeld, aber dank der längeren Lebensdauer eines Gebäudes, amortisiert sich diese Investition einfacher in den Geldtöpfen für Wartung und Mitarbeitergesundheit.
Gesunde und zirkuläre Produkte (zum Beispiel mit C2C-Zertifikat oder einem transparenten Materialpass) sind qualitativ besser und enthalten keine giftigen Stoffe, die die Gesundheit negativ beeinflussen. Sie sind häufig leichter zu unterhalten, erfordern weniger Ersatzteile und haben einen Restwert. Wenn also die Trennung von Geldtöpfen abgeschafft wird, ist die Wahl besserer und gesunder Produkte nicht mehr so schwierig. Das Bauteam für ein gesundes Gebäude schaut also auf das Gesamtbudget und zwar bezogen auf die gesamte Lebensdauer. Unsere Erfahrung lehrt uns, dass dank der Zusammenlegung von Bau- und Wartungskosten, die Investition in Zirkularität und Gesundheit nicht mehr kostet, sondern sogar Geld sparen kann.
Cashflows als Augenöffner
Bei vielen nachhaltigen Investitionen wird nach der Amortisationszeit geschaut. Eine logische Begründung für Privatpersonen, die ihr Geld in Photovoltaikanlagen investieren. Aber leider ist die Amortisationszeit einer Investition in eine nachhaltige Maßnahme meist länger als die Amtszeit einer Legislaturperiode. Es fällt also häufig die Entscheidung: nicht machen! Fehlschluss! Denn Unternehmen und Organisationen haben es mit geliehenem Geld, Cashflows, also Kassenströmen zu tun. Und das bietet eine andere Perspektive. Anhand eines echten Beispiels erklären wir den Bau des gesunden „Stadskantoors” in Venlo. Der Business Case, der hierfür (von BBN Adviseurs) gemeinsam mit der Gemeinde Venlo erstellt wurde, war ein Augenöffner mit vielen positiven Effekten für die realisierten Investitionen in Nachhaltigkeit (siehe Abbildung 1). Der Business Case wurde für das Extra-Paket nachhaltiger Maßnahmen geschaffen. Die gesamte Amortisationszeitbetrug 15 Jahre, was die Gemeinde Venlo als zu lang empfand. Sie waren von dieser Notwendigkeit nicht überzeugt ““ bis sie diesen Business Case sahen. Verwaltungsspitze und Stadtrat haben daraufhin das vollständige Maßnahmenpaket einstimmig beschlossen.
Niedrigere Abtragungen ab dem zweiten Jahr
Wie ist das zu erklären? Einerseits steigen die jährlichen Kapitallasten (Abtragungen), weil für die nachhaltigen Maßnahmen eine höhere Hypothek aufgenommen werden muss. Dies sorgt für höhere monatliche Abtragungen. Allerdings sorgen die nachhaltigen Investitionen für niedrigere Betriebskosten. Hierbei ist an niedrigere Energie- und Wasserkosten sowie an niedrigere Wartungskosten zu denken. Im Falle des Stadskantoor (siehe Abbildung 2) kompensieren die niedrigen Betriebskosten die zusätzlichen Abtragungen (Kapitaldienst). Die Gesamtkosten sind seit dem zweiten Jahr dank der Investition in das Nachhaltigkeitspaket niedriger. De facto hat die Gemeinde Venlo seit dem zweiten Jahr bereits mehr Geld zur Verfügung, und das alles dank der Investition in nachhaltige Qualität. Das bedeutet, dass die Gemeinde bereits nach zwei Jahren mehr Geld für die Investition in andere Projekte zur Verfügung hat. Und weil dies bereits vor Baubeginn berechnet worden war, war es nicht mehr so schwierig, diesem nachhaltigen und gesunden Maßnahmenpaket zuzustimmen. Reiner Gewinn auf allen Seiten: Geld, Gesundheit und Nachhaltigkeit. Insgesamt spart Venlo während des gesamten Betriebs des neuen Stadskantoor (40 Jahre) beinahe 17 Millionen Euro und musste hierfür lediglich 3,4 Millionen Euro zusätzlich investieren. Das ist doch ein guter Business Case, oder?
Positiver Gesundheitseffekt
Wenn auch der Restwert von Materialien und die Gesundheit der Gebäudenutzer mit im gesamten Business Case berücksichtigt würden, würde sich der Gewinn sogar noch weiter erhöhen. Wir teilen unsere Erfahrungen und das Tool, mit dem jeder selbst den Gewinn eines gesunden und zirkulären Gebäudes berechnen kann, in einem weiteren Blog, der nächste Woche veröffentlicht wird.
Geschrieben von:
Eva Starmans, C2C ExpoLAB & Désirée Driesenaar, Blue Economy Expert